Was bedeutet der Krieg in der Ukraine für die Reise- und Tourismuswirtschaft?
Anfang März stimmte die Weltorganisation für Tourismus (UNWTO), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, dafür eine Generalversammlung einzuberufen um die Mitgliedschaft Russland zu prüfen. Anlass dafür war der Angriffskrieg in der Ukraine. Ein möglicher Ausschluss Russlands hätte hauptsächlich symbolische Wirkung. Ganz real hingegen sind die Auswirkungen, die ein Ausbleiben von russischen und ukrainischen Reisenden auf die Reisewirtschaft und vor allem den Tourismus hat. Ein Überblick:
Flugverkehr bricht ein
Zwischen dem 24. Februar und dem 2. März brachen Flugbuchungen in Europa um 23 Prozent ein und es wurden 23 Prozent weniger Transatlantikflüge gebucht als in der Woche vor der Invasion. Der durch die Pandemie bereits unter Druck stehende Luftverkehrsmarkt wird einer dringend benötigten Erholung beraubt. Höhere Ticketpreise dürften die Folge sein.
Durch den Konflikt wurden zwar nur Reisewarnungen für die Ukraine, Russland und Belarus ausgesprochen. Vom Reiserückgang sind jedoch die Staaten in geografischer Nähe zum Konfliktgebiet besonders betroffen. Touristische Reisen aus den USA werden auch in Westeuropa zurückgehen. Bei einer Befragung von US-amerikanischen Reisenden gaben 62 Prozent an, besorgt zu sein, dass sich der Konflikt auf Nachbarstaaten ausweiten könnte. Dies würde ihre Entscheidung beeinflussen, nach Europa zu reisen. Ähnlich dürfte sich der asiatische Markt verhalten, der traditionell als risikoavers gilt.
Urlauber aus Russland stranden durch Sanktionen
In den Urlaubsregionen um den Globus strandeten russische Reisende durch die Sanktionen, die vor allem Flüge betreffen. Durch des Ausschluss Russland aus dem SWIFT-System können werden Transaktionen von Russen blockiert. Außerdem wird die Möglichkeit verhindert, mit Kreditkarten an Bargeld zu kommen. Etwa 85.000 Pauschaltouristen wurden von Russland nach Hause geflogen.
Der Auslandsreiseverkehr aus der Ukraine und Russland machte 2020 zusammen etwa 3 Prozent der weltweiten Tourismusbuchungen aus. Dies entspricht etwa 14 Milliarden US-Dollar. Diese Summe muss als verloren gelten, wenn der Konflikt länger fortdauern sollte. Während der COVID-19-Pandemie hatten gerade diese Märkte an Bedeutung gewonnen, da Reisende aus diesen Ländern trotz Einschränkungen weiter reisten. Besonders zu Zielen wie den Malediven, den Seychellen oder Sri Lanka. Russland war 2021 beispielsweise der wichtigste europäische Quellmarkt für den Tourismus der Dominikanischen Republik. Das Wegbleiben hat dementsprechend große Bedeutung für diese Destinationen. Zypern geht von einem Rückgang des BIP von bis zu zwei Prozent aus. Betroffen sind etliche weitere Ziele.
Türkei in Sonderrolle
Ein besonderer Fokus liegt auf der Türkei, die sich trotz NATO-Mitgliedschaft nicht an Sanktionen beteiligt und eine Vermittlerrolle einnehmen möchte. Es dürfte ein schwieriger Spagat werden, da die Ukraine, ein traditioneller Verbündeter der Türkei, mit Bayraktar-Drohnen ausgerüstet wurde, die im Konflikt zu Einsatz kommen. Man ist darauf bedacht, gute Beziehungen zu beiden Ländern beizubehalten. Im vergangen Jahr reisten 4,6 Millionen Russen und 2 Millionen Ukrainer in die Türkei. Damit machten sie die größte und drittgrößte Gruppe der ausländischen Touristen aus. Auch im Handel unterhält die Türkei Beziehungen zu beiden Ländern. Die Türkei ist, wie viele europäische Länder, auf russische Gaslieferungen angewiesen.
Drängende Probleme in Sri Lanka
Sri Lanka zeigt deutlich, wie eng Tourismus und Sicherheitsaspekte miteinander verwoben sein können. Die Ukraine und Russland waren für Sri Lanka zwei der wichtigsten Touristenmärkte des aktuellen Jahres. Im Fall von Russland kommt noch die Abnahme von Tee aus Sri Lanka hinzu. Angesichts einer massiven Auslandsverschuldung Sri Lankas wäre ein erfolgreiches Tourismusjahr zentral gewesen. Durch ein Ausbleiben dieser Einnahmen gestaltet sich die Lage jedoch weiter fragil. Ende März kam es bereits zu Protesten wegen Versorgungsengpässen.
Unterdessen ist die russische Seite bemüht, einen Eindruck von Normalität zu konstruieren. Bereits ab 8. April will Aeroflot wieder Flüge nach Sri Lanka anbieten. Die Malediven sollen Mitte April wieder angeflogen werden.
Es bleibt festzuhalten, dass die weltweite Tourismus- und Reisewirtschaft ein Interesse an einer baldigen Lösung des Konfliktes hat. Je länger die Konfrontation andauert, desto schwieriger wird die Lage für Destinationen, die auf ankommende Touristen angewiesen sind.
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