China und COVID-19: Auf schnellstem Weg ins Einsiedlerkönigreich?
Ein ostasiatisches Land, das sich von der Außenwelt abschottet, das Ausländern misstraut und jedem Kontakt ablehnenden gegenübersteht. Nein, damit ist nicht etwa Nordkorea gemeint, sondern vielmehr scheint diese Beschreibung zunehmend auch auf die Volksrepublik China zu passen. In ihrem Kampf gegen COVID-19 hat die Volksrepublik seit langem einige der extremsten Seuchenbekämpfungsmaßnahmen der Welt ergriffen, sowohl innerhalb des Landes als auch in Bezug auf die Einreisebeschränkungen für internationale Reisende. Zudem ist China das letzte große Land, das eine sogenannte „Null-COVID“-Strategie verfolgt. Unter der alle Ausbrüche mit strengen Lockdowns und sofortigen Massentests rücksichtslos unterdrückt werden. Doch wie lange noch kann die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde diesen Zustand der Halbisolation im Anbetracht von immer ansteckenderen COVID-Varianten aufrechterhalten?
Reise in die Null-COVID-Blase
Im dritten Jahr der Pandemie scheint COVID-19 in seinem Ursprungsland so gut wie ausgerottet zu sein. Diese Sicherheit vor dem Virus hat jedoch ihren Preis. Für die meisten internationalen Reisenden besteht wenig Unterschied zwischen einer Reise nach China und einer Reise zum Mond. Allein schon das Erlangen eines Visums ist zu einem äußerst mühseligen Verfahren geworden. Wobei die meisten Ausländer schon gar nicht mehr einreisen dürfen und Touristen- sowie Studentenvisa ganz ausgesetzt sind. Die eigentliche Einreise kann leicht einen Monat oder mehr in Anspruch nehmen. Mitunter sind Quarantänen sowohl im Herkunftsland als auch in China erforderlich, wobei während dieser Zeit ständig COVID-19-Tests durchgeführt werden müssen. Außerdem wurde die Zahl der internationalen Passagierflüge auf lediglich 2,2% des Flugaufkommens vor der Pandemie beschränkt, und es kommt häufig zu kurzfristigen Annullierungen. Dementsprechend sind Ausländer in China zu einem seltenen, wenn nicht sogar beunruhigenden Anblick geworden.
Leben in der Blase
Nach allen denkbaren Maßstäben kann Pekings Strategie zur Ausrottung des Virus nur als ein voller Erfolg gewertet werden. Offiziell hat das Land seit Beginn der Pandemie nur etwas mehr als 100.000 Fälle und weniger als 5.000 virusbedingte Todesopfer zu verzeichnen. Der Schlüssel zu diesem Erfolg war ein Millionenheer von Beamten und Arbeitern, die rigoros die drakonische Einschränkungen durchsetzen, die Regeleinhaltung penibel überwachten und rasch ganze Städte Massentests unterzogen. Obwohl die allgegenwärtige Überwachung und die strengen Auflagen so etwas wie eine präpandemische Normalität in China ermöglicht haben, beginnt diese Fassade der Normalität Risse zu bekommen.
Kleine Infektionscluster treten immer häufiger auf, und aufgrund der Null-Toleranz-Politik der Behörden kann bereits ein einziger COVID-19-Fall zur Abriegelung einer ganzen Millionenstadt führen. Im Januar 2022 waren mindestens 20 Millionen Menschen von vollständigen Lockdowns betroffen. Für viele weitere galten ebenfalls umfangreiche Einschränkungen, und dass nur wenige Wochen vor dem Beginn der Olympischen Winterspiele in Peking. Inzwischen greifen die Behörden auch immer öfter zu so extremen Maßnahmen wie der kompletten und vorwarnungslosen häuslichen Isolation von Millionen Chinesen. Manche Bewohner waren sogar aufgrund von Behördenversagen schon gezwungen, sich mittels Tauschgeschäften selbst mit Lebensmitteln zu versorgen. Ebenso sind in der Vergangenheit einige Krankenhäuser dazu übergegangen, Patienten ohne negativen COVID-19-Test die Behandlung zu verweigern, mit tödlichen Folgen. Regelbrecher werden zuweilen durch die Straßen paradiert und öffentlich bloßgestellt.
Der Grund für die geradezu obsessive Hartnäckigkeit der chinesischen Behörden lässt sich zumindest teilweise darauf zurückführen, dass diese den ersten Ausbruch der Krankheit in der Stadt Wuhan im Dezember 2019 zunächst gründlich verpatzt hatten. Mehrere Wochen lang spielten Behörden die Gefahr der neuen Krankheit herunter, drängten Mediziner zum Schweigen und versäumten es, Eindämmungsmaßnahmen zu ergreifen. Dementsprechend war die Null-COVID-Strategie ein Mittel, um das anfängliche Versagen wieder gutzumachen und nicht minder wichtig den wachsenden Volkszorn im Land einzudämmen. Mehr noch, gerade als die COVID-19-Fälle weltweit in die Höhe schossen, konnte die chinesische Führung den nahezu vollständigen „Sieg“ über das Virus verkünden. Auch nach fast drei Jahren kann Peking diese Siegeserklärung nicht einfach wieder rückgängig machen.
Die Omicron-Krux: Bevölkerung ohne Schutz
Gleichwohl könnte die Omicron-Variante die chinesische Regierung dazu zwingen, genau dies zu tun. Zwar sind inzwischen mehr als 85 % der Bevölkerung vollständig geimpft, doch wurden sie fast alle mit lokal entwickelten Impfstoffen immunisiert, welche nur einen vergleichsweise geringen Schutz gegen COVID-19 bieten – ganz zu schweigen von einer seiner ansteckenderen Varianten. Selbst mit einer dritten Auffrischungsimpfung ist der Schutz immer noch unzureichend, so dass die Volksrepublik extrem anfällig für einen Ausbruch von Omicron ist. mRNA-Impfstoffe wie der BioNTech-Pfizer- oder der Moderna-Impfstoff würden einen höheren Schutz bieten, aber beide sind in China nicht zugelassen. Schlimmer noch, sie waren sogar Gegenstand einer staatlich geförderten Verleumdungskampagne.
Die Lage wird noch dadurch verkompliziert, dass das Gesundheitssystem des Landes relativ unterentwickelt ist und die meisten chinesischen Mediziner ironischerweise nur wenig Erfahrung mit der Behandlung von COVID-19 haben. Daher könnte COVID-19 gerade zu dem Zeitpunkt, wo sich ein Großteil der Industrieländer vorsichtig darauf vorbereitet, langsam in die „endemische Phase“ der Krankheit einzutreten, mit voller Wucht in sein Ursprungsland Land zurückkehren. In der Tat wurden in China bereits Fälle der Omicron-Variante bestätigt, und es scheint zweifelhaft, ob selbst die extremen Kontrollmaßnahmen Pekings die hochansteckende Variante dauerhaft in Schach halten können.
Die Kosten der Abschottung und der Preis der Öffnung
Schon jetzt steigen die wirtschaftlichen Kosten von Null-COVID stetig an. Die zunehmende Zahl von kurzfristigen Lockdowns wichtiger Häfen und Städte, Fabrikschließungen sowie plötzlichen Regeländerungen bremsen das Wirtschaftswachstum und belasten globale Lieferketten. Im Dezember letzten Jahres wurde Tausenden von vietnamesischen Lastwagenfahrern ohne Vorwarnung wochenlang die Einreise nach China verwehrt, während sich an der Grenze Berge von unbrauchbaren Produkten und verdorbenen Lebensmitteln auftürmten. Doch das Schlimmste steht den globalen Lieferketten wohl noch bevor, denn die chinesischen Behörden machen ein internationales Paket aus Kanada für den ersten Fall der Omicron-Variante im Lande verantwortlich. Als Reaktion darauf haben sie die Bevölkerung aufgefordert, keine Waren mehr aus dem Ausland zu bestellen. Während chinesische Kunden, die dies bereits getan haben, über Reisebeschränkungen und verpflichtende Tests klagen.
Alles in allem scheint es kaum Chancen für die erhoffte Wiederöffnung des Landes nach den Olympischen Winterspielen in Peking im Februar zu geben. Da der chinesische Präsident Xi Jinping im Oktober eine bislang einmalige dritte Amtszeit anstrebt, scheint es unwahrscheinlich, dass die COVID-19-Beschränkungen in China vor Ende des Jahres wesentlich gelockert werden. An dieser Stelle sei aber auch darauf hingewiesen, dass diese Beschränkungen im Großen und Ganzen nicht gegen eine unwillige Bevölkerung verhängt werden. Im Gegensatz zur „chaotischen“ Reaktion auf die Pandemie in weiten Teilen der westlichen Welt hat die chinesische Leistung bei der Bekämpfung des Virus sogar beträchtlichen nationalistischen Stolz geweckt. Dadurch wird es für die chinesische Regierung allerdings umso schwieriger, von Null-COVID abzurücken. Letztendlich, ist wohl ganz gleich, wie viel Zeit vergeht, Pekings grundlegende Optionen bleiben dieselben: Lernen, mit dem Virus zu leben, oder möglicherweise jahrelang in einem Zustand der Halbisolation verharren.
Um über Änderungen der Einreise- und Reisebeschränkungen sowie der COVID-19-Maßnahmen im Land informiert zu bleiben, können Reisende die A3M-Berichterstattung über die COVID-19-Lage in China hier verfolgen. Einen früheren A3M-Report über die treibenden Kräfte hinter Chinas Vorgehen gegen COVID-19 und dessen Auswirkungen auf ausländische Reisende finden Sie hier.
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Global Monitoring: Die Woche - A3M Global Monitoring
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