Welche globalen Entwicklungen können auch im Jahr 2024 Auswirkungen auf das Thema Reisen haben?
Eine kursorische Rückschau auf das Jahr 2023, die sich mit den Auswirkungen von Ereignissen auf das Thema Reisen befasst, lässt einen an eine Handvoll große Themen denken: den weiterhin andauernden Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und den sich anschließenden militärischen Reaktionen Israels sowie den verheerenden Erdbeben in der Türkei und Marokko und den Bränden auf Rhodos.
Unser Jahresausblick 2024 kommt natürlich an den beiden oben genannten Großkonflikten nicht vorbei, wirft aber auch den Blick auf andere Brandherde, die in der öffentlichen Wahrnehmung schon 2023 nicht die nötige Aufmerksamkeit erlangt haben, aber über das Potenzial verfügen, sich auch in Zukunft weiter auszudehnen.
Was als russische Version eines Blitzkriegs gedacht war, wird in Bälde in das dritte Kriegsjahr übergehen. Es ist zu befürchten, dass der Krieg zwischen Russland und der Ukraine weitestgehend entlang der aktuellen Frontverläufe eingefroren werden könnte, da keiner der beiden Parteien über die nötige Stärke im Hinblick auf Waffen und Manpower verfügt, um einen wie auch immer zu definierenden Sieg zu erreichen. Das Wahljahr 2024 in den USA, welches wir eher unter der Blickrichtung eines weiteren Fortschreitens rechts-populistischer Bewegungen und den Auswirkungen auf die Stabilität der demokratischen Institutionen beleuchten, hat jedoch unmittelbare Auswirkung auf den oben genannten Konflikt. Es zeigt sich schon heute, dass der „America First!“-Ansatz der Mehrheit der republikanischen Partei die militärische Unterstützung der Ukraine durch die USA unterminiert. Ein Wahlsieg Donald Trumps würde den massiven Support Kiews mehr als in Frage stellen, gerade dann, wenn vor dem Hintergrund fiskalpolitischer Zurückhaltung die Frage lauten sollte, ob man sich zwischen einer Unterstützung Israels oder der Ukraine entscheiden solle.
In der Unterstützung Israels durch den Westen lassen sich mittlerweile erste Risse beobachten, deren Intensität mit der Dauer und Härte der israelischen Reaktion auf die Terroranschläge zu tun hat. Ein Ende der militärischen Auseinandersetzung wird höchstwahrscheinlich die Spannungen zwischen Israelis – hier insbesondere die Siedlerbewegung – und Palästinensern auf gesellschaftliche Ebene verlagern. Welche mittelfristigen Auswirkungen der Konflikt auf die vor dem 7. Oktober stark gespaltene israelische Gesellschaft – Stichwort: Justizreform – hat, ob die ultranationalistische Regierung Netanjahus zurücktreten wird und wenn ja, wer mit welcher Ausrichtung darauf folgen wird, ist völlig unabsehbar. Ob mittelfristig die Zwei-Staaten-Lösung wieder aufgegriffen werden kann oder man, wie die Regierung Benjamin Netanjahus, weiterhin ausschließlich auf eine Annäherung an die arabischen Staaten setzt, während man die palästinensische Autonomiebehörde fortwährend schwächt und Hamas als militärischen und politischen Akteur eliminiert, hängt sicher auch von der Reaktion Saudi-Arabiens ab. Das Königreich hat sich in den letzten Jahren unter dem saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman zunehmend auch für den Tourismus geöffnet und in den Abraham-Abkommen eine diplomatische Annäherung an Israel vollzogen. Eine Umkehr dieser Strategie scheint derzeit auch angesichts der sich mit Vehemenz stellenden Palästina-Frage nicht vorstellbar.
Der Konflikt zwischen den beiden Chinas soll von uns ebenfalls beleuchtet werden, zeigt sich Peking doch in Rhetorik und Säbelrasseln gegenüber seinem abtrünnigen Bruder zunehmend aggressiver. Ob die Erfahrungen Russlands mit seinem Angriffskrieg hier mäßigenden Einfluss haben wird oder das ausbleibende Wirtschaftswachstum Chinas die Aggression in Sinne einer Ablenkung von internen Problemen hier verschärfend wirkt, bleibt abzuwarten.
Fast völlig aus dem Blickfeld gerückt ist die Situation in der Sahel-Zone, die wir separat beleuchten wollen. Die Putsche in den letzten Jahren in Mali, Guinea, Burkina Faso und unlängst Niger, die aus dem explosiven Gemisch von starkem Bevölkerungswachstum, korrupten Eliten, anwachsendem Islamismus und sich intensivierendem Klimawandel entstanden, unterminieren die Sicherheitslage in der gesamten Region und drohen sich auch auf weitere stabile Länder wie Elfenbeinküste und Senegal auszuweiten. Die postkolonialen Ablösungserscheinungen der Staaten von Frankreich und der zunehmende Einfluss Russlands in der Region zeigen zudem die geopolitische Komponente auf.
Auch der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan in 2023 um die autonome Region Bergkarabach rückte durch die Großkonflikte in den Hintergrund. Fast schon ohne internationalen Widerspruch konnte das mittlerweile seinem Nachbarn militärisch durch seine Öleinnahmen deutlich überlegende Aserbaidschan die überwiegend von Armeniern bewohnte Region innerhalb von Tagen zur Kapitulation zwingen, so dass diese sich quasi selber auflöste. Die anschließende Vertreibung der armenischen Bevölkerung zeigte eindeutige Merkmale einer ethnischen Säuberung, der viele durch Flucht zu entkommen suchten. Es bleibt abzuwarten, ob sich der Konflikt hiermit beruhigt, oder ob Aserbaidschan sich angesichts des Fokus des armenischen Verbündeten Russlands Ukraine sich sogar zu einem Angriff auf Armenien entschließt.
Der diesjährige Ausblick muss angesichts der neuen Unsicherheit einen Fokus auf „harte Sicherheitspolitik“ legen, soll aber auch die globale, durch den Klimawandel verursachte Krise nicht aus den Augen verlieren. Hier ist in den letzten Jahren eine Zunahme an Hitzewellen zu beobachten, die nicht nur entsprechende Waldbrände auslösten, sondern perspektivisch die Frage stellt, inwieweit sich etwa Touristenströme sogar verlagern könnten, wenn z.B. die Mittelmeerregion im Hochsommer klimatisch immer herausfordernder wird.
Die Erwärmung im Jahr 2024 wird zudem durch die Rückkehr des Klimaphänomens El Niño, das im Abstand von 2 bis 7 Jahren zur Veränderung der Meeresströmungen im tropischen Pazifischen Ozean führt, verstärkt. Dies könnte zu einem nochmaligen erheblichen Anstieg der Temperaturen sowohl an Land, als auch in den Ozeanen führen, mit entsprechender Zunahme an Großwetterereignissen. Dies wird sicher auch den Klimaprotesten in westlichen Industriestaaten – Stichwort „Letzte Generation“ – noch einmal Auftrieb geben und innergesellschaftliche Auseinandersetzungen vor dem Hintergrund des Widerstands insbesondere rechtspopulistischer Bewegungen gegen die als übermäßig empfundenen Kosten der Energie- und Mobilitätswende verschärfen.