Konfliktpotenzial Wasser: Wie der Klimawandel die globale Sicherheit beeinflusst
„Die Kriege der Zukunft werden um Wasser geführt.“ Boutros Ghali, ehemaliger UN-Generalsekretär
Die Folgen des Klimawandels werden oft mit Extremwetterereignissen wie der Ahrtal-Flut, zerstörerischen Wirbelstürmen in Südostasien oder Hitzewellen und Dürren in Ostafrika in Verbindung gebracht. Begleitet werden die durch den globalen Temperaturanstieg hervorgerufenen Wetterextreme jedoch auch von weitaus langsamer voranschreitenden und regional unterschiedlich ausgeprägten Klimaveränderungen. Neben steigenden Temperaturen sind das vor allem veränderte Niederschlagsmuster. So intensivieren sich beispielsweise monsunale Niederschläge in Asien seit Jahrzehnten, während im Nahe Osten, südeuropäischen Ländern und nordafrikanischen Staaten, aber auch in Gebieten auf dem amerikanischen Festland tendenziell ein Niederschlagsrückgang zu verzeichnen ist. Ein gesicherter Zugang zur Ressource Wasser wird in den betroffenen Regionen weltweit aufgrund der sich abzeichnenden Entwicklungen des Klimawandels daher zukünftig eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Da die Nachfrage nach Wasser oftmals das Ressourcenangebot übersteigt, ergeben sich hieraus eine Vielzahl an zwischenstaatlichen Abhängigkeiten und damit verbundene Konfliktszenarien mit großem Eskalationspotential, die sich negativ auf die internationale Sicherheit auswirken können. So bezeichnen eine überwältigende Mehrheit der für den 2020 World Climate and Security Report befragten Klimasicherheits- und Militärexperten eine unzureichende Wasserversorgung bereits heute als wesentlichen Faktor für regionale, zwischenstaatliche Konflikte, deren Relevanz sich bis 2030 zu einem erheblichen Risiko für die globale Sicherheit verstärken könnte.
Der Konflikt um den Grand Ethiopian Renaissance Dam in Äthiopien
Aktuell zeigt sich diese Problematik auf dem afrikanischen Kontinent, für dessen nördlichen Teilbereich infolge des Klimawandels ein Niederschlagsrückgang von bis zu 30 Prozent prognostiziert wird. Dort sorgt zuletzt Äthiopien mit dem Bau des Grand Ethiopian Renaissance Staudamm am Flusslauf des Blauen Nil für erhebliche Verstimmungen bei den weiter flussabwärts gelegenen Anrainerstaaten Sudan und Ägypten, deren Wasserversorgung in hohem Maße vom Nil abhängig ist. Äthiopien begann den Bau des Staudamms im Jahr 2011 ohne vorherige Absprache mit seinen Nachbarstaaten und berief sich darauf, dass das Projekt für die äthiopische Wirtschaft und Energieversorgung unverzichtbar sei. Elf Jahre nach Baubeginn ist der GER-Staudamm fast fertiggestellt und im kommenden Jahr 2023 wird der Staupegel der Talsperre zum mittlerweile vierten Mal angehoben. Ägypten sieht hierdurch seine für die Landwirtschaft essenziell benötigte Wassermenge des Nil akut gefährdet. Eine rechtlich verbindliche Einigung über die Befüllung des Staureservoirs und die Nutzung des Flusswassers kam trotz internationalen Vermittlungsversuchen der Arabischen Liga und der Vereinten Nationen zwischen den Konfliktparteien bisher nicht zustande. Der derzeitige ägyptische Präsident Abdelfatah al-Sisi, dessen Land über 95 Prozent seines Wassers aus dem Nil bezieht, sendete diesbezüglich bereits mehrfach eine unmissverständliche Nachricht an die Anrainer Sudan und Äthiopien, in der er im Notfall mit Krieg drohte.
Das trockene Erbe der UdSSR in Zentralasien
Auch ein Blick auf die zentralasiatischen Länder Tadschikistan, Kirgisistan, Usbekistan, Kasachstan und Turkmenistan zeigt, welches Eskalationspotential zukünftigen Ressourcenkonflikten in Regionen zugrunde liegt, die infolge des Klimawandels wahrscheinlich häufiger von Dürreperioden heimgesucht werden. Der Wüstenstaat Turkmenistan ist laut den Vereinten Nationen zu 97 Prozent von Wasser aus dem Ausland abhängig, gefolgt von Usbekistan mit 80 Prozent und Kasachstan mit 41 Prozent, während viele für die Region wichtigen Flüsse in den Gebirgen von Tadschikistan und Kirgisistan entspringen. Mit dem Auseinanderbrechen der UdSSR brach auch ein bisher in der Region geltendes Wasser- und Energieverteilungssystem zwischen den ehemaligen Teilrepubliken zusammen. Seither sind sowohl zukünftige Staudamm-Bauprojekte sowie die Nutzung bereits vorhandener Infrastruktur und deren Besitzverhältnisse Gegenstand staatlicher Konflikte. Grundlage der Streitigkeiten ist nicht zuletzt die willkürliche Grenzziehung der Sowjetzeit in der Region, aufgrund der es in der Vergangenheit immer wieder zu Kampfhandlungen zwischen Kirgisistan und Tadschikistan kam. Beide Staaten beanspruchen Gebiete um die tadschikischen Exklave Woruch im fruchtbaren Ferghana-Tal für sich. Das 300 Kilometer lange Tal stellt mit 10 Millionen Einwohnern das kulturelle Zentrum Zentralasiens dar, dessen Wasserbedarf durch eine wachsende Bevölkerung und eine bewässerungsintensive Landwirtschaft immer weiter wächst und die territorialen Spannungen zwischen den Ex-Sowjetrepubliken anheizen dürfte.
Wasser als politisches Druckmittel – die Türkei und das GAP-Projekt
Auch im Nahen Osten, einer der niederschlagsärmsten Regionen der Erde, die bereits heute unter höheren Durchschnittstemperaturen und einem Niederschlagsrückgang infolge des Klimawandels leidet, offenbart sich das Konfliktpotenzial um die Ressource Wasser. Dort schuf die Türkei unumstößliche Fakten, indem sie sich mit dem GAP-Staudammprojekt de facto die Kontrolle der Wasserpegel der Flüsse Euphrat und Tigris in den Nachbarstaaten Irak und Syrien sicherte. Der Verbund aus 22 Staudämmen im Süden der Türkei hat ein Fassungsvermögen, das es erlaubt, beide Flüsse theoretisch ein Jahr lang aufzustauen. Die ohnehin angespannt humanitäre Lage der von Kriegshandlungen gezeichneten Region wird durch dieses Monopol abermals verschärft und zwischenstaatliche Spannungen dürften in Zukunft weiter zunehmen. Auch hier äußerten die flussabwärts gelegenen Anrainerstaaten Irak und Syrien mehrfach ihre Sorge, die Ressource Wasser könnte durch die Türkei als politisches Druckmittel eingesetzt werden, indem Abflussmengen reduziert werden. Konkret könnten sich diese Sorgen im kommenden Jahr bewahrheiten, da die Türkei mit diesem Vorgehen ihren außenpolitischen Ambitionen etwa im Zusammenspiel mit dem andauernden militärischen Engagement in Nordsyrien verstärkt Nachdruck verleihen könnte.
Die genannten Regionen und Konfliktparteien stehen beispielhaft für eine Problematik, die sich zukünftig weiter verschärfen wird. Zusammen mit der tendenziellen Zunahme an Protektionismus und Nationalismus, welche die internationale Zusammenarbeit zur Bewältigung der durch den Klimawandel verursachten Sicherheitsrisiken untergraben, ergeben sich große Herausforderungen für die internationale Staatengemeinde.