Massenproteste in der Türkei: Wie sicher sind Reisen zurzeit?
Die Lage in Istanbul, Ankara und weiteren Städten spitzt sich zu: Inzwischen wurden fast 1.500 Menschen festgenommen, für Samstag (29. März) ruft die Opposition zu einer Großdemonstration auf. Was bedeutet das für Reisende?
Nach der überraschenden Festnahme von Istanbuls Bürgermeister Ekrem İmamoğlu am 19. März erlebt die Türkei die größte Protestwelle seit den Gezi-Park-Demos (2013). Der potenzielle Präsidentschaftskandidat wurde im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Korruption und „Terrorunterstützung“ verhaftet – ein Vorgang, den viele als politisch motiviert ansehen. Trotz eines landesweiten Demonstrationsverbots versammeln sich seit einer Woche täglich zehntausende insbesondere junge Menschen in dutzenden Städten, um für den prominenten Oppositionspolitiker zu protestieren. Mittlerweile haben sich die Proteste auf 55 der 81 Provinzen ausgebreitet.
„Putsch durch die Justiz“
Präsident Erdoğan (AKP) spricht von „Straßenterror“ (sokak terörü) und kündigte an, es werde keine Zugeständnisse geben. Die Polizei geht mit Härte gegen Demonstrierende vor, setzt Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse ein. Auch die Presse gerät ins Visier: Mindestens sieben Reporter wurden inhaftiert, darunter ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP. Laut dem türkischen Oppositionsführer Özgür Özel (CHP) sind die Istanbuler Gefängnisse bereits überfüllt. Die Demonstrationen gehen jedoch unbeirrt weiter.
Ekrem İmamoğlu gilt als ernstzunehmender Herausforderer Erdoğans bei der Wahl 2028. Diese liegt zwar in einiger Ferne und Amtsinhaber Erdoğan kann laut Verfassung ohnehin nicht mehr antreten – es sei denn, die Wahlen finden vorgezogen statt. Wahlen in der Türkei wurden in der Vergangenheit als manipuliert beschrieben, doch tatsächliche Wahlfälschung ist selten. Das bedeutet, dass İmamoğlu tatsächlich eine Chance hätte, zu gewinnen. Der Zeitpunkt der Inhaftierung und die Annullierung seines Universitätsabschlusses, was ihm die Kandidatur verwehren würde, nähren den Verdacht eines gezielten politischen Manövers. Die Opposition spricht offen von einem „Putsch durch die Justiz“. Die Oppositionspartei CHP plant nun für Samstag (29. März) eine Großkundgebung auf dem Maltepe-Gelände im asiatischen Teil Istanbuls. Ziel ist es, vorgezogene Neuwahlen zu fordern und ein Zeichen gegen staatliche Repression zu setzen.
Was Reisende wissen sollten
Obwohl bisher keine generellen Reiseeinschränkungen bestehen, müssen insbesondere Geschäftsreisende mit Beeinträchtigungen rechnen:
- Internetzugang. In Phasen verstärkter Unruhen drosseln die türkischen Behörden regelmäßig die Geschwindigkeit sozialer Netzwerke wie X oder Facebook sowie des mobilen Internets in Ballungsräumen. Die Sperrung von über 700 Accounts wurde bereits beantragt. Der Zugang zu unabhängigen Informationen kann eingeschränkt sein.
- Verkehr. In Städten wie Istanbul, Ankara und Izmir sind aufgrund von Demonstrationen auch Verkehrseinschränkungen möglich.
- Sicherheit. Im Umfeld der Proteste und auch in weniger betroffenen Gebieten muss mit verstärkter Polizeipräsenz sowie mit plötzlichen Eskalationen gerechnet werden.
Dienstleister wie A3M Global Monitoring GmbH, die Lösungen für professionelles und effektives Krisenmanagement zur Verfügung stellen, raten Reisenden deshalb Folgendes:
- Meiden Sie konsequent größere Menschenansammlungen und politische Demonstrationen.
- Informieren Sie sich über lokale und internationale Nachrichtenportale.
- Leisten Sie Anweisungen der örtlichen Behörden unbedingt Folge.
Internationale Stimmen wie die EU, die Vereinten Nationen und die USA äußerten bereits deutliche Kritik an den Massenverhaftungen und forderten die Türkei auf, die demokratischen Grundwerte zu respektieren. Ein rasches Einlenken vonseiten des türkischen Präsidenten ist jedoch nicht zu erwarten: Da die Türkei derzeit eine zentrale Vermittlerrolle in internationalen Konflikten wie dem Ukraine-Krieg oder dem politischen Umbruch in Syrien einnimmt, könnte Erdoğan seine aktuelle geopolitische Stärke nutzen, um innenpolitisch seine Macht zu sichern. Das Auswärtige Amt hat noch keine Warnung vor Reisen nach Istanbul, Ankara und andere Ziele ausgesprochen. Wer allerdings in die Türkei reist oder sich bereits vor Ort befindet, sollte die Entwicklungen aufmerksam verfolgen und mit erhöhter Vorsicht agieren.